Geschichte

Festungsbauwerk – Gartenvilla – Theaterhaus
Die Bau- und Nutzungsgeschichte des Geländes der „Lünette 3“ im Kölner Volksgarten

Hiltrud Cordes

Gliederung

1. Vorbemerkung
2. Das Festungsbauwerk „Lünette 3“
3. Heutiger Gebäudebestand
4. Stadterweiterung und Anlage des Volksgartens
5. Wohnhaus für den Gartendirektor und Gärtnerei
6. Nutzung als Theater

1. Vorbemerkung

Das Gebäude, das heute unter dem Namen „Orangerie“ als Theater genutzt wird, liegt innerhalb des Volksgartens im Bereich der in Resten erhaltenen „Lünette 3“, einem Festungsbau aus der Zeit des preußischen Kölns. Zusammen mit verschiedenen Nebengebäuden sowie den dazwischenliegenden Freiflächen bilden Orangerie und „Lünette 3“ ein Ensemble, das vom umgebenden Volksgarten durch eine Mauer abgetrennt ist. Bei den Nebengebäuden handelt es sich um einen Holzschuppen, der an eine Mauer vor der „Lünette 3“ angebaut wurde; und schließlich um zwei Glashäuser, die zusammen mit dem heutigen Theaterhaus einen von drei Seiten umschlossenen Innenhof bilden.

Der Volksgarten – und mit ihm das soeben beschriebene Gelände der „Lünette 3“ – wurde am 1. Juli 1980 unter Denkmalschutz gestellt. Auf dem Gelände der „Lünette 3“ bezieht dieser Denkmalschutz sich auf die Reste des Festungswerkes und das Theatergebäude, nicht jedoch auf die Schuppen, Glashäuser und Gärtnerei-Gebäude.

Dem Versuch einer Rekonstruktion der Bau- und Nutzungsgeschichte dieses Geländes steht im Wege, dass viele Quellen durch die fast völlige Zerstörung der Stadt Köln im Zweiten Weltkrieg wie auch durch die Umstrukturierung des Grünflächenamtes verlorengingen. Fest steht jedoch, dass seine Entstehung mit zwei zeitlich aufeinanderfolgenden Abschnitten der Kölner Stadtentwicklung in Verbindung steht, nämlich:

  • dem Ausbau der Stadtbefestigung in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowie
  • der Stadterweiterung und der Entstehung des Volksgartens in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts


Abb. 1: Theatergebäude mit Glashäusern und Innenhof, Ansicht von Nordwesten (Alle Fotos, soweit nicht anders angegeben: Hiltrud Cordes)


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2. Das Festungsbauwerk „Lünette 3“

Kurz nachdem Köln 1815 durch Beschluss des Wiener Kongresses an das Königreich Preußen gefallen war, wurde außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauer eine Serie von Befestigungsbauwerken errichtet. Der Aufbau der Stadtbefestigung sah vor, dass sich jeweils ein Fort und ein etwas weiter stadteinwärts gelegenes, kleineres Festungswerk abwechseln sollten. Diese kleineren Festungsbauten, „Lünetten“ (von französisch ‚la lunette’, Verkleinerungsform von Mond = Möndchen) genannt, umschlossen schützend ein sog. Friedenspulvermagazin. Lt. Zander (1944:452) wurde „…im Jahre 1841 zwischen den Forts 3 und 4, vor der Ulrepforte gelegen, ein neues Pulvermagazin errichtet, dem die Nummer 3 gegeben wurde“. Anscheinend wurde also die „Lünette 3“ später erbaut als die übrigen Lünetten. Die Lage der „Lünette 3“ in Bezug zu den benachbarten Forts ist auf dem entsprechenden Ausschnitt des „Situationsplans Cöln-Deutz von 1873“ gut erkennbar.


Abb 2: Ausschnitt aus dem „Situationsplan Cöln-Deutz von 1873“ (Historisches Archiv der Stadt Köln)

Typischerweise ist die Grundrissform einer Lünette eine im stumpfen Winkel gebrochene Frontlinie mit zwei kürzeren Flanken; daraus ergibt sich eine nach hinten (= zur Stadt hin) offene, fünfeckige Grundrisslinie. An der Spitze der gebrochenen Frontlinie laufen die beiden Facen, also die beiden dem Angreifer zugewandten Seiten, zusammen, und auf der Rückseite steht das Pulvermagazin. Abgesehen vom rechteckigen Grundriss des Friedenspulvermagazins gibt es keine Quellen, die unmittelbare Rückschlüsse auf seine Gestalt zulassen. Grundsätzlich handelt es sich bei Friedenspulvermagazinen um eingeschossige, massive Bauwerke mit dicken Mauern. Sie dienten – wie der Name schon sagt – zur Lagerung von Pulvervorräten in Friedenszeiten, welche man wegen der Explosionsgefahr aus Sicherheitsgründen außerhalb der bewohnten Innenstadtgebiete ansiedelte. Im Kriegsfall, welchen die hier beschriebene „Lünette 3“ jedoch nie erlebte, wären die Pulvervorräte in ein Kriegspulvermagazin verlagert worden.

Das heutige Theatergebäude nimmt exakt die selbe Position ein wie das ursprüngliche Friedenspulvermagazin, ist jedoch in seiner vergleichsweise leichten Bauweise mit den großen Fenstern sicherlich mit diesem nicht identisch. Die Umwandlungen des Pulvermagazins bis hin zur heutigen Gestalt des Theatergebäudes werden nachfolgend diskutiert.

Die noch vorhandenen Teile des erdbedeckten Walls der „Lünette 3“ bergen drei ebenfalls erhaltene Hohlbauten oder Kasematten; anhand ihrer Lage und Größe und unter Hinzuziehung von Vergleichsmaterial hat der Festungshistoriker Bernd von der Felsen eine virtuelle Rekonstruktion der „Lünette 3“ vorgenommen. Während die mittlere Kasematte als Verbrauchspulvermagazin im Kriegsfall vorgesehen war, handelt es sich beim rechten und linken Hohlbau um sog. „Hohltraversen“, denen verschiedenen Aufgaben, wie Unterbringung von Waffen, Geschützen und Mannschaft zukamen (mündliche Mitteilung Bernd von der Felsen).

Die „Lünette 3“ ist heute die einzige der ehemals neun Kölner Lünetten, die noch in Resten erhalten ist. Lediglich die Wälle der Lünette 9 sind noch im Deutzer Stadtgarten sichtbar.


Abb. 3: Rekonstruktion der „Lünette 3“ (Bernd von der Felsen 2006)

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3. Heutiger Gebäudebestand

Das Gelände, auf dem sich heute das Theatergebäude befindet, liegt in der nordöstlichen Ecke des Volksgartens, leicht zurückversetzt von der Straßenkreuzung Volksgartenstraße / Vorgebirgsstraße. Im hinteren Geländebereich, also zum Volksgarten hin, befinden sich die Reste der „Lünette 3“. Der erdbedeckte Wall ist mittlerweile mit Bäumen und Sträuchern überwuchert. Erkennbar sind noch einige Reste einer Naturstein- und einer Backsteinmauer, jedoch sind diese Reste so spärlich, dass sich die ursprüngliche Gestalt der Lünette hieraus nicht mehr erschließt.

Am besten erhalten ist eine ca. 14 m breite Backsteinmauer, die nicht zum urspünglichen Bestand des Festungswerkes gehört, sondern diesem vorgesetzt wurde (siehe Abb. 3, obere gelbe Markierung). Von hier führen zwei der drei oben beschriebenen Hohlräume in den Erdwall; lediglich die rechte Kasematte ist noch vom originalen Mauerwerk der Lünette eingerahmt. An die Backsteinmauer wurden später – vermutlich nach dem 2. Weltkrieg – zwei unterdessen baufällige Holzschuppen angebaut, die heute notdürftig als Theaterwerkstätten und Lager genutzt werden.


Abb. 4: Aktueller Bebauungsplan 1:250

Das Theatergebäude selbst ist 26,21 m lang und 11,44 m breit. Der Haupteingang öffnet sich nach Nord-Nordost auf einen Parkweg, der parallel zur Volksgartenstraße verläuft. Das Gebäude besteht aus Hochparterre und einem Souterrain-Geschoss. Im Hochparterre befinden sich der Theaterraum (ca. 180 qm) und das Theaterbüro, das in einem vom Hauptraum abgetrennten Bereich liegt. Dieser ca. 60 qm große Bereich wurde bereits vor der Theaternutzung baulich verändert: Die Decke wurde abgehängt, es wurden zwei Zimmer, eine Küche, ein WC und ein Bad abgeteilt bzw. eingebaut, und der Seiteneingang, zu dem eine Treppe hochführt, wurde baulich verändert. Dem Stil dieser Treppe, der Eingangstür und den sanitären Einrichtungen nach zu urteilen, dürfte dieser Umbau in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts durchgeführt worden sein – möglicherweise zeitgleich mit dem Anbau der Holzschuppen an die Lünetten-Mauer.


Abb. 5: Reste der „Lünette 3“: Backsteinmauer mit Kasematte (Foto: Günther Heitzmann)

Auch auf der anderen Längsseite des Gebäudes wurde eine Veränderung vorgenommen: eine Eingangstür wurde verbreitert und eine Beton-Rampe angebaut, über die der Hauptraum im Hochparterre stufenlos mit dem Keller verbunden wurde.

Das Dach des Gebäudes wurde vermutlich nach dem 2. Weltkrieg aufgesetzt.


Abb. 6: Eingang zum Bürobereich (Ansicht von Südosten)


Abb. 7: Theaterraum

An das Theatergebäude wurden weiterhin zwei Glashäuser angebaut, die im rechten Winkel zueinander stehen und zusammen mit dem Hauptgebäude ein nach einer Seite hin offenes, hofartiges Viereck bilden, welches eine Rasenfläche umschließt. Die Anordnung dieser drei Gebäude und ihre Trennung vom Volksgarten durch den erdbedeckten Lünetten-Wall verleihen dem Gelände einen in sich abgeschlossenen Charakter.

Die baulichen Veränderungen, die an dem heutigen Theatergebäude vorgenommen wurden wie auch die Ergänzung des Gebäude-Bestandes durch Glashäuser, Schuppen und Gärtnerei-Gebäude stehen in Zusammenhang mit der Umwidmung des Geländes vom Festungsbauwerk zum Gärtnerei-Gelände innerhalb des Volksgartens.

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4. Stadterweiterung und Anlage des Volksgartens

In der Zeit zwischen dem Baubeginn der preußischen Befestigungsanlagen bis zum Ende der zweiten Bauphase hatte sich die Bewohnerzahl der Stadt Köln verdoppelt (1815: 48.000 Einwohner, 1852: 96.524 Einwohner). Da das Wohngebiet auf den Bereich innnerhalb der mittelalterlichen Stadtmauern begrenzt war, weil die preußische Militärverwaltung einen 1 km breiten Streifen rings um die Mauern als freies Schußfeld beanspruchte, herrschte drangvolle Enge in der Stadt. 1880 war mit einer Einwohnerzahl von 398 Personen pro Hektar die Bevölkerungsdichte in Köln fast viermal so hoch wie in Berlin (112 Einwohner/Hektar) (Westfehling 1980:23).

Die preußischen Militäranlagen verhinderten ein langsames Wachstum der Stadt. Bereits 1864 hatte es erste Pläne für eine Stadterweiterung gegeben, doch erst 1881 gelang es der Stadtverwaltung nach zähen Verhandlungen, die Befestigungsanlagen anzukaufen. Unter Stadtbaumeister H.J. Stübben wurde die Planung der Neustadt auf einer Breite von 600 m in Angriff genommen. Das zur Neubebauung freigegebene Areal war mit insgesamt 448 Hektar größer als das bisherige Stadtgebiet innerhalb der mittelalterlichen Mauern (402 Hektar). „Am 11. Juni 1881 wurden die ersten Teile der Stadtmauer abgebrochen. Was eigentlich ein Denkmal kölnischen Mittelalters war, hatte sich im Bewußtsein der Zeit in ein Symbol der ungeliebten preußischen Herrschaft verwandelt. So gestaltete sich der Mauerabbruch zum Freudenfest.“ (Westfehling 1980:24).

Angesichts der hohen Bevölkerungsdichte vor der Stadterweiterung ist nicht verwunderlich, dass es der Stadt erheblich an Grünflächen mangelte. Daher war in Stübbens Neustadtplanung auch die Anlage eines großen öffentlichen Parks vorgesehen. 1888 schrieb Stübben selbst über die Entstehung des Volksgartens:

„Dieser Park hat nicht an diejenige Stelle gelegt werden können, welche planmässig ursprünglich dafür bestimmt war, weil dort die Grunderwerbsverhandlungen mit den zahlreichen Besitzern nicht das erwünschte Ergebnis hatten. Ein Stadtverordneter, der verstorbene Commercienrath Kaesen, unternahm es daher, für eigene Rechnung und Gefahr an anderer Stelle ungefährt sechszig verschiedene Privatgrundstücke zusammen zu kaufen, welche eine zusammenhängende Fläche von annähernd 10 ha bildeten und mit zwei im Besitz der Stadt befindlichen alten Festungswerken (Fort IV und Lünette 3) sowie mehreren später erworbenen Parzellen zur Schaffung eines städtischen Parks derart sich eigneten, dass auch die den Park umgebenden Baugrundstücke Eigenthum der Stadt wurden. Herr Kaesen bot, nachdem ihm der mühsame Ankauf für einen Geldbetrag von rund 680 000 Mark gelungen war, im Sommer 1886 der Stadt die sämmtlichen Grundstücke zum Einkaufspreise an und stiftete daneben einen besonderen Geldbetrag für eine Verschönerungsanlage des neuen Parks. Die Stadtverordneten-Versammlung nahm das Angebot mit lebhaftem Danke an, schrieb eine Preisbewerbung zur Erlangung von Entwürfen aus und bewilligte im November 1887 auf Grund des inzwischen vom Gartendirector Kowallek festgestellten Planes zur Ausführung die Summe von rund 483 000 Mark.“ (Stübben 1888:330)


Abb. 9: Adolf Kowallek(1851-1902) trat 1887 die neu geschaffene Stelle des Gartendirektors zu Köln an (Quelle: Internet)

Für die erwähnte „Preisbewerbung“, also einen öffentlichen landschaftsarchitektonischen Wettbewerb, gingen zwischen März und Oktober 1887 insgesamt 44 Entwürfe bei der Stadt ein (anonym 1887:351). Sowohl die Ausschreibungsunterlagen, als auch die Entwürfe der Preisträger und ihre Erläuterungen enthalten einige wichtige Hinweise auf das Schicksal der „Lünette 3“ und des heutigen Theatergebäudes.

In der Ausschreibung wurde seitens der Stadt Köln eine Reihe von Anforderungen an den neuen Park formuliert. So sollte der Volksgarten ein Restaurations- und Konzertgebäude enthalten, einen großen Teich mit „Springstrahl, Schwanen- und Entenhaus“, einen „zur Aufstellung eines Denkmals geeigneten, schön gelegenen Platz“, und weiterhin war „an passender Stelle die Wohnung für den Gartendirector mit den erforderlichen Nebenbaulichkeiten“ vorzusehen (anonym 1887:351).

Der Abschnitt 7 lautet: “Das Kernwerk und die Gräben des alten Forts IV, sowie das Gebäude und die Oberflächengestaltung der alten Lünette III können beibehalten und mit dem Park landschaftlich vereinigt werden.“ (anonym 1887:351)

Zum fünfköpfigen Preisgericht gehörten neben Oberbürgermeister Becker auch die Herren Stübben und Kaesen. Als Preisgeld wurden 2.000 Mark für den besten und 1.000 Mark für den zweitbesten Entwurf ausgelobt; damit wurden die Entwürfe Eigentum der Stadt Köln, ohne dass diese sich dazu verpflichtete, sie zur Ausführung zu bringen. Tatsächlich wurden nicht die Entwürfe der beiden Preisträger Ernst Finken (1. Preis) oder Eduard Hoppe (2. Preis), sondern derjenige des Gartendirectors Adolf Kowallek ausgeführt.

Ernst Finken, Obergärtner in Bockenheim, griff den Vorschlag von Abschnitt 7 der Ausschreibung auf und entschied: „Von den beiden … alten Festungswerken ist die Lünette III in ihrer Oberflächen-Gestaltung aus Pietät beibehalten und die Errichtung einer Molkerei mit Laubengängen und Sitzplätzen, wie im Plane angedeutet, als passend vorgeschlagen.“ (anonym 1887:354) Auch Eduard Hoppe, Landschaftsgärtner in Berlin, behielt in seinem Entwurf das Friedenspulvermagazin der „Lünette 3“ bei, doch anstelle des Festungswerkes sah er die Gärtnerei mit Wohnung für den Gartendirector vor. Hierzu erläutert er: „Die Wohnung für den Gartendirector soll auf der in der Lünette liegenden Baulichkeit so hergestellt werden, daß auf derselben ein Stockwerk aufgesetzt wird“ (anonym 1887:355).

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5. Wohnhaus für den Gartendirektor und Gärtnerei

Obwohl der anonyme Kritiker dieser Entwürfe in „Möller’s Deutscher Gärtner-Zeitung“ der Meinung ist, „die Lage der Gärtnerei auf der Lünette (sei) wegen der etwas zugigen Lage und des durch den Baumbestand gegebenen Schattens weniger günstig“ (anonym 1887:353), folgte Kowallek in dieser Hinsicht dem Entwurf Hoppes und entschied sich dafür, auf dem Gelände der „Lünette 3“ die Gärtnerei sowie seine Dienstwohnung anzusiedeln. In seinem „Kostenanschlag und Bericht über die Herstellung des Volksgarten“ vom 8.10.1887, also dem Plan, den er der Stadtverwaltung vorlegte, schrieb Kowallek, dass er das vorhandene Friedenspulvermagazin zu seiner Dienstwohnung ausbauen und daran anschließend die Gärtnerei unterbringen wolle, da hier auch ausreichend Platz für die Unterbringung von Geräten, Werkzeugen und Baumaterialien sei (Historisches Archiv der Stadt Köln, Altakte Gartenbauabteilung „Der Volksgarten“).

Aus den Altakten der Gartenbauabteilung im Historischen Archiv der Stadt Köln ist einiges über den Verlauf der Baumaßnahmen des Volksgartens zu entnehmen; leider fehlt im Bestand eine Akte mit dem Titel „Wohnhaus des Gartendirektors im Volksgarten“, die sicher detailliert Aufschluss über das Gebäude und seine Entstehung gegeben hätte.

Nachdem im November 1887 die Mittel für den Volksgarten bewilligt worden waren, machte Kowallek sich unverzüglich an die Arbeit. Am 22. November fragte er bei Stadtbaumeister Stübben schriftlich an, ab wann ihm das Gebäude in der alten „Lünette 3“ zur Verfügung stehen könne, da er bald einen abschließbaren Raum für die Gerüste und Werkzeuge benötige, wie auch einen großen Raum zum Aufenthalt für die Arbeiter, in welchem sie ihre Mahlzeiten einnehmen könnten.


Abb. 10: Entwurf Adolf Kowallek

Planmäßig schritten die Bauarbeiten am Volksgarten voran. Am 14. Januar 1888 fragte Kowallek bei der Stadtverwaltung an, ob mit den Abbrucharbeiten an Fort IV und Lünette 3 begonnen werden könne. Wie bereits erwähnt, existieren keine Original-Baupläne dieses Wohnhauses mehr. Es spricht jedoch nichts gegen die Annahme, dass Kowallek wie geplant im weiteren Verlauf des Jahres 1888 das Pulvermagazin umbauen ließ. Die Mauern im heutigen Souterrain-Geschoss des Theatergebäudes weisen die exakte Dicke von 1,50 m auf, die für preußische Festungsbauwerke vorgeschrieben war; und es gibt keinen Hinweis darauf, dass das vorhandene Friedenspulvermagazin abgerissen wurde.

Allerdings wirft das Bodenniveau rund um das Gebäude Fragen auf. Das ursprüngliche Friedenspulvermagazin war sicherlich nicht in den Boden eingelassen, sondern ebenerdig erbaut. Heute dagegen liegt es als Souterrain halb im Erdreich versenkt, und darauf befindet sich eine als Hochparterre ausgebildete Etage mit den Haupträumen (Theatersaal und Bürobereich). Zu vermuten ist, dass mit dem Erdreich, das beim Abriss der „Lünette 3“ anfiel, der Boden rund um die neue Dienstvilla bis zum heutigen Niveau aufgeschüttet wurde. Anstelle des Daches des Pulvermagazins trat ein Gewölbe, das fortan Keller- und Erdgeschoss voneinander trennte. Auf das Hochparterre wurde ein Erstes Teil-Obergeschoss aufgesetzt.

Acht Jahre nach der vermutlichen Fertigstellung jedoch scheint das Wohnhaus zu klein bemessen gewesen zu sein, denn es wurde eine Erweiterung in Form eines unterkellerten Anbaus an das Erdgeschosses vorgenommen. Im heutigen Keller ist deutlich der Unterschied in der Mauerdicke zwischen dem älteren Pulvermagazin und dem Anbau erkennbar. Von diesem Umbau im Jahr 1896 liegt eine Ansichtszeichnung von Nordwesten vor, aus der die Gestalt des Gebäudes erstmals ersichtlich ist.


Abb. 11: Bauliche Erweiterung (Erdgeschoss) 1896

Die hier sichtbare Fassadengliederung ist auch heute noch klar zu erkennen, auch wenn einige bauliche Veränderungen vorgenommen wurden: das erste Fenster (von links) fehlt spurlos, die Eingangstür wurde verbreitert, und das mittlere Fenster im Anbau wurde vollständig zugemauert, während am rechten und linken Fenster jeweils nur die Rundungen im oberen Bereich zugemauert wurden. Das Teil-Obergeschoss fehlt heute vollständig.

Eine recht überzeugende Darstellung von Kowalleks Wohnhaus aus dem Jahr der Anbauplanung, jedoch vor seiner Ausführung, findet sich auf einem Aquarell von Jakob Scheiner. In der ungewöhnlich großen (107 x 208 cm), von der Stadtverwaltung in Auftrag gegebenen Arbeit „Köln 1896, Vogelschauansicht von Südwesten“, die im Stadtmuseum ausgestellt ist, ist Köln 15 Jahre nach Beginn der Stadterweiterung minutiös abgebildet. Aufgrund der Ansicht aus südwestlicher Richtung liegt der Volksgarten im rechten Vordergrund des Bildes; die Details sind in diesem Bereich so genau ausgearbeitet, dass man die einzelnen Spaziergänger erkennen kann – und natürlich auch die Gebäude, die auf dem Gelände der Lünette 3 liegen (im Ausschnitt Mitte rechts).


Abb. 12: Ausschnitt „Nordost-Bereich des Volksgartens“ (aus: Jakob Scheiner 1896)

Scheiner hat eine ansprechende Villa gezeichnet, deren Gebäudegliederung mit quergestelltem Mittelteil und eingeschossigem Bereich zum Volksgarten hin der Ansichtszeichnung von der Erweiterungsplanung entspricht. Lediglich die Anzahl der Fenster zum Park hin betrug vermutlich damals wie heute zwei – und nicht drei. Die rötlich-braune Farbe des Hauses deutet auf eine unverputzte Backsteinbauweise hin.

Auch heute sind am Gebäude keine Reste von Putz zu erkennen, wohl aber Reste eines nicht fachgerechten, vormals weißen Anstrichs, der unterdessen weitgehend abgeblättert ist.

Unklar ist, warum der Künstler an der im Bild rechten Seite des Hauses einen vorspringenden Anbau abgebildet hat und welches Gebäude rechts neben dem Wohnhaus dargestellt ist. Perspektivisch korrekt liegt dieses leicht verdeckt hinter dem Erdwall der Lünette 3, etwa an der Stelle, wo sich heute der Gebäudekomplex der ehemaligen Gärtnerei befindet. Die Anlage der Gärtnerei aus dem Entwurf von Kowallek ist auf Scheiners Aquarell dagegen nicht erkennbar.

Geht man von einer Fertigstellung des Wohnhauses im Verlauf des Jahres 1888 aus, so ist weiterhin anzunehmen, dass Kowallek das Haus im selben Jahr bezog und dort bis zu seinem Tod im Jahr 1902 wohnte. Zu diesem Zeitpunkt war Adolf Kowallek erst 51 Jahre alt; 15 Jahre lang hatte er das Amt des Gartendirektors bekleidet.

Sein Nachfolger war Fritz Encke (1861 – 1931), der von 1903 bis zum Ende seiner Dienstzeit 1926 mit seiner Familie in der Villa im Volksgarten wohnte.


Abb. 13: Fritz Encke (Quelle: Internet)

Gleich zu Beginn seiner Amtszeit am 1. April 1903 scheint Fritz Encke eine Erweiterung der Gärtnerei neben seinem Wohnhaus veranlasst zu haben.

Abb. 14: Bauliche Veränderung der Gärtnerei 1903

Ähnlich wie im Fall des Wohnhauses selbst existieren für diese Gärtnerei keine Original-Baupläne mehr, und die Anlage wird durch die Erweiterungsplanung erstmals überhaupt ersichtlich. Die Zeichnung stellt die „Umgestaltung eines offenen Schuppens zu einem geschlossenen Überwinterungsraum für Zierbäume“ dar. Das heutige Theatergebäude ist erwartungsgemäß mit „Wohngebäude des Directors“ beschriftet. Bei den mit „Gärtnerei“ bezeichneten schmalen Rechtecken innerhalb der Bebauung handelte es sich vermutlich um Blumenbeete.

Die Anordnung der gesamten Anlage entspricht in ihrer Ausrichtung im Großen und Ganzen sowohl der Planung von Adolf Kowallek als auch dem heutigen Gebäudebestand. Im Detail sind die Bereiche der Anlage jedoch nur schwerlich den heute noch vorhandenen, teilweise unterkellerten Bauten zuzuordnen. Obwohl Gärtnerei und Dienstvilla zweifellos ein bauliches Ensemble innerhalb der Grenzen des früheren Festungsbauwerkes „Lünette 3“ darstellen, wird der Bestand offensichtlich nicht als denkmalwürdig betrachtet, denn wie bereits erwähnt ist der Abriss der Gebäude geplant.

Aufgrund der über 20jährigen Wohndauer von Fritz Encke und seiner Familie auf dem Gärtnerei-Gelände im Volksgarten ist die Biographie dieses bedeutenden deutschen Gartenarchitekten naturgemäß eng mit diesem Gelände verknüpft. So legte Encke auch neben seinem Wohnhaus und auf den Überresten der „Lünette 3“ einen Garten an, den er 1920 in einer Gartenzeitschrift ausführlich beschreibt. (Encke 1920)

Ebenfalls in die Amtszeit von Fritz Encke fiel eine zweite bauliche Erweiterung des Wohngebäudes, die mit Ansichtszeichnungen von Nordwesten und Westen sowie mit Grundrissskizzen dokumentiert ist. 1908 geplant und im darauffolgenden Jahr nochmals leicht abgeändert, handelt es sich um einen Anbau im ersten Obergeschoss zur Vergrößerung der Schlafzimmer – vermutlich in der Absicht, Platz für die wachsenden Kinderschar der Familie Encke zu schaffen. Seit dem Anbau von 1896 hatte es bis dahin offensichtlich nur eine kleine bauliche Veränderung gegeben: Der Wintergarten war durch einen offene Terrasse ersetzt worden.


Abb. 15: Bauliche Erweiterung (Dach) 1908

Die Grundrisse auf der Planung von 1908 sind insofern interessant, als die Funktionen der einzelnen Räume eingezeichnet sind und damit einen Einblick in das häusliche Leben der Bewohner gestatten. Betrat man das Haus durch den Haupteingang, so lagen links der Salon und das Esszimmer, geradeaus ging es ins Herrenzimmer, und rechts daneben lag das Kinderzimmer. Auf der rechten Seite des Hausflurs führte ein schmaler Gang zu Küche und Speisekammer, und eine zweite Tür öffnete sich zum Zimmer des Directors, neben dem sich ein Vorzimmer befand. Der Anbau von 1896 besaß – wie auch heute noch der Fall – an der anderen Längsseite des Hauses einen Seiteneingang. Hier waren ein Büro mit Zugang zum Vorzimmer sowie ein Raum mit der Bezeichnung „Gehilfe“ untergebracht. Im unterdessen nicht mehr vorhandenen Obergeschoss waren Dachkammern, Schlafzimmer und ein Bad untergebracht.

Nach der Pensionierung Fritz Enckes 1926 folgte Josef Giesen, ein guter Freund Konrad Adenauers (Schwarz 1995:262) ihm im Amt. Aus politischen Gründen wurde Giesen unmittelbar nach der nazionalsozialistischen Machtergreifung 1933 durch Paul Thyssen ersetzt. Ob Giesen und/oder Thyssen in der Villa im Volksgarten ihren Wohnsitz hatten, ist nicht bekannt.

Was geschah mit dem Obergeschoss des Gebäudes? In Ermangelung von Quellen, die diese Frage beantworten könnten bleibt vorerst nur die Vermutung, dass das Obergeschoss im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.

Wahrscheinlich waren die Schäden am Haus so erheblich, dass entschieden wurde, es nicht wieder aufzubauen, sondern es mit einer einfachen Dachkonstruktion vor der Witterung zu schützen, zu entkernen und fortan zur Überwinterung von Kübelpflanzen zu nutzen. In diesem Zuge wurden nach 1946 vermutlich auch die beiden Glashäuser und die Holzschuppen errichtet.

Jedenfalls wurden das Gelände der ehemaligen „Lünette 3“ und das heutige Theatergebäude vom Grünflächenamt der Stadt Köln bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts als Ziergärtnerei genutzt. Hier wurden Blumengestecke und Trauerkränze angefertigt, und das Theatergebäude selbst diente der Überwinterung von Kübelpflanzen.

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6. Nutzung als Theater


Abb. 16: Theaterproduktion „A&O“ (1992) (Foto: Chris Rügge)

Da das Gebäude auf dem Gelände der Lünette 3 in den Sommermonaten leerstand, konnte es von einer Theatergruppe, dem Kölner „Healing Theatre“ ab 1991 zunächst im Sommer als Probenraum genutzt werden. Die Theatergruppe nannte das Gebäude – in Anlehnung an die Zitrusbäume, die hier überwinterten – „Orangerie“.

Nachdem das Grünflächenamt das Gelände im Jahr 2000 geräumt hatte, um die Ziergärtnerei in anderen Räumlichkeiten weiter zu betreiben, wurde das Gebäude ganzjährig angemietet und als Theaterbetrieb genutzt. Seither wird dieses Theater von einem Verein, dem „Orangerie – Theater im Volksgarten e.V.“ betrieben.

Da das entkernte Wohnhaus natürlich nicht enstprechend ausgestattet war, war zur Nutzung als Theater zunächst die Aufhängung von Scheinwerfern erforderlich. Weitere Einbauten wie ein partieller Holzboden und Podeste für ansteigende Sitzreihen wurden bewusst mobil gehalten, um bei Bedarf den Raum frei gestalten zu können – ohne Festlegung von Bereichen für Bühne und Zuschauer.

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